Die am 19.09.1909 eröffnete Altmarkstrecke habe ich eher selten besucht, da sie für mich abseits im nordöstlichsten Zipfel des Bezirkes Magdeburg und noch hinter der Elbe lag. Bedingt durch berufliche Fahrten 1992/93 nach Havelberg habe ich aber auch hier den Untergang der Kleinbahn öfters dokumentiert und so für die Nachwelt festgehalten. Bereits im Sommer 1993 wurde diese schöne Strecke, die dem Bw Jerichow unterlag, dann fast zeitgleich mit den Salzwedeler Kleinbahnstrecken auch kurzfristig stillgelegt. Topografisch durchquerte sie ein für den Warschauer Vertrag (Gegenpol zur westlichen NATO) strategisch höchst wichtigen Geländeabschnitt, welcher parallel dem natürlichen Flußlauf der Elbe nordwärts folgte. Im April 1945 wurde hier auch der Vormarsch der Amerikaner durch die letzten deutschen Truppen gestoppt. Die letzten mörderischen schweren Kampfhandlungen des 2. Weltkrieges fanden genau im Bereich dieser Kleinbahn statt! Die strategischen Erfolge der Wehrmacht nutzten die Russen und die NVA hier dann später weiter militärisch zum Bau von variablen Brückenköpfen über die Elbe und den Ausbau des Truppenübungsplatzes Klietz aus. Die Bahnlinie war direkter Baustein diese Militärkonzeptes und diente eigentlich nur diesem Zweck. |
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Bedingt durch die fast 100%-ige militärische Nutzung des Geländes um Schönhausen waren Bilder aus dieser Gegegend vor 1989 sehr selten. Die bewachte Elbbrücke hatte zu DDR Zeiten höchste Priorität für Militär und Sicherheit. Fotos fast unmöglich! Als 772 156-6 (T 16375 Sandau-Stendal) im März 1993 die Brücke westwärts beginnend überquert sind die Wachtruppen lange abgezogen, aber die alten Unterstände mit Schießscharten zum Schutz der Militär-Eisenbahn-Linie (MEL) Kostrzyn-Wustermark-Oebisfelde noch vorhanden.
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Das Bw Jerichow fuhr fast ausschließlich mit den moderneren Triebwagen der BR 172/772 mit Vielfachsteuerung. Austausch- und Reparaturfahrten nach Stendal auf der Hauptbahn erfolgten fast immer mit planmäßigen Zügen. Dabei gab es vormittags die interessante Leistung T 16374 Stendal-Sandau mit Umsetzen in Schönhausen. |
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Nach dem Umsetzen war dann im Kleinbahnhof der Teufel los. Links, auf Gleis 2, 772 128-5 nach Jerichow und dahinter 772 160-8 nach Stendal und rechts, auf Gleis 1, 771 051-0 nach Sandau warten auf verspätete manuelle Abfahrt. |
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Diese drei Triebwagen waren aber nicht allein im kleinen Bahnhof. Der planmäßige Nahgüter mit 201 068-4 nach Sandau stand hinter diesen in der Ecke und wartete auf freie Gleise. Letzte richtige altmärkische Nebenbahnromantik pur im Frühjahr 1993! |
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1995 gab es dann dieses bunte Treiben hier nicht mehr und die Natur überwucherte zusehens den Bahnhof Schönhausen, der nun nur noch von Jerichow im Pendelverkehr angelaufen wurde. |
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Sicher beeindruckenstes Bauwerk in der flachen Landschaft war der riesige Damm mit der Stahlbrücke über die KBS 750 Oebisfelde-Berlin östlich von Schönhausen, die hier der Stendaler 771 045-2 erreicht. Die Güterwagen im Hintergrund stehen auf der Militärverbindungskurve zur Umfahrung der Elbbrücke Hämmerten sowie des Knoten Stendal. |
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Am Schrankenposten 37, östlich von Schönhausen, wurde 1978 diese Verbindungskurve (Göhrener Kurve) auf Drängen der Militärs beginnend errichtet und bis 1990 oft genutzt. Damit konnten Züge aus Richtung Berlin, wie hier der P 9430 mit 202 127-7 direkt von der Hauptbahn nach Norden abschwenken und die vielen militärischen Objekte unter Nutzung der Strecke Schönhausen-Sandau erreichen. Bei Neumark-Lübars gab es dann ein direktes Gleis zur Elbe von wo man mittels der in der DDR entwickelten ESB 16 (kombinierte militärische Eisenbahn-Straßenbrücke) das andere Westufer bei Hassel im Notfall erreichen konnte. |
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Von der Überführung bot sich auch immer ein toller Blick westwärts auf den großzügigen Bahnhof Schönhausen. Links am Bildrand der Beginn der Sandauer Strecke mit steigungsreichen Gleisbogen hier zur Brücke rauf und rechts hinter der Buschgruppe lag die Elbbrücke der Hauptstrecke, die hier durch Elbdunst nicht zu erkennen ist. Die Salzwedeler 219 049-4 mit P 9419 fährt hier nach Rathenow aus. |
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Der Blick ostwärts zeigt nochmals die schöne Überführung über die KBS 750 mit dem Jerichower Triebwagen 771 051-0, das Einfahrsignal, die Verbindungskurve und hinten den Schrankenposten 37. |
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Hohengöhren war der erste Halt auf nördlicher Fahrt. Typisch hier waren diese Bahnhofsgebäude, der allgegenwärtige lockere Sandboden, Kiefernwälder und KFZ-Rampen an den Ausweichgleisen. 972 768-8 kommt hier als T 16365 von Sandau in Hohengöhren eingefahren. |
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Die Bilder von den Bahnhöfen wirkten durch Einheitsbauweise und monotoner Kiefernlandschaft immer fast identisch. Hier fährt 771 051-0 als T 16374 aus Schönfeld (Elbe) nach Sandau aus. |
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Da es 1992/93 noch keine Umweltämter gab, bot sich bei Wulkau dieses typische Nachwende-Motiv an. Autos wurden einfach in der Natur und besonders auf den hier zahlreich vorhandenen Truppenübungsplätzen entsorgt. |
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Die gesamte Strecke verlief parallel der Hauptstraße B 107 Jerichow-Havelberg, mit der man hier gemeinsam Sandau erreicht. Hier ist auch noch gut die zerstörte Kirche zu sehen. Diese wurde noch in den letzten Kriegstagen nach Ablehnung der Kapitulation der Stadt Sandau durch amerikanische Artillerie von der anderen Elbseite gezielt zerstört. Gut zu sehen ist auch das große Empfangsgebäude und der kleine Lokschuppen. |
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In Sandau war der Endpunkt der Strecke erreicht und das große Bahnhofsgebäude hatte sicher schon bessere Zeiten erlebt. Im Vordergrund die eingleisige Einfahrt in den Lokschuppen. Von hier aus ging es mit dem Bus weiter nach Havelberg. Eine sinnvolle Verlängerung dieser Strecke bis dort hat es leider nie gegeben. |
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Ziel aller Nahgüterzüge nach 1990 auf dieser Strecke war der Schrotthändler in Sandau. Dieser entsorgte jahrelang die Überreste der NVA und der Roten Armee aus diesem brisanten militärischen Gebiet. Vom Panzer über die guten teuren Tatra Zugmaschinen - hier wurde alles klein gemacht. Im August 1993 hatte dann auch die Bahn hier für immer ausgedient! |