KBS 764 Oebisfelde-Salzwedel

Die 1889 eröffnete KBS 764 war meine Hausstrecke, die mich von Kind an als Eisenbahnfreund geformt hat. Unzählige Male fuhr ich über diese Schinen nach Magdeburg oder Salzwedel, immer mit besonders intensiven Erlebnissen in Oebisfelde. Seit 2002 ist sie stillgelegt und bereits zur Hälfte vollständig abgebaut. Besonders der Verlauf im Sperrgebiet zur BRD und der gesicherte Grenzbahnhof Oebisfelde schreckten Eisenbahnfotografen weiträumig ab. Das plötzliche Dampflokverbot von 1983 auf dieser Strecke, wegen Grenzfluchtgefahr war ein weiteres Trauma, was dieser Strecke magisch anlastete und die verrücktesten Fantasiegeschichten dazu bei Eisenbahnfreunden in der DDR hervor brachte. Bedingt durch diese Tatsachen möchte ich diese Strecke besonders im südlichen Teil etwas intensiver Vorstellen, um sie würdig in Erinnerung zu halten.

Gerade hat die Transportpolizei mich auf Bahnsteig 5 entdeckt, aber mein erstes verbotene Oebisfelde Foto ist am 25.06.1989 in der Praktika! Nur der Solidaritäts-Sonderfahrt ist es zu verdanken, dass ich nur belehrt wurde und meinen Film behalten durfte. Hier herrschte stets konsequentes Fotografierverbot!
Raffiniert und damals sehr wagemutig war die illegale Anreise für diese Fotos. Mein Motorrad stellte ich in Kunrau ab, löste eine Fahrkarte nach Magdeburg und reiste so mit T 18331 nur bis Oebisfelde in das Sperrgebiet ein. Dann schnell die verbotenen Fotos gemacht und mit T 18334 zurück bis Buchhorst und dort ausgestiegen, widerum trotz Verbotes. Der folgende Sonderzug wurde dann ohne Fahrkarte bis Kunrau genutzt. Hier ein Bild aus dem nach Salzwedel ausfahrenden Triebwagen. Rechts hinter dem Zaun das Zollgleis für Güterzüge mit besetzten Wachturm der Grenztruppen.
Die begründete Angst einer Grenzflucht mit einer Dampflok möchte ich mit den folgenden Bildern erklären. Alle Loks der Züge aus Salzwedel mußten weit in Richtung Westen ausfahren, um auf die rechte Bahnhofshälfte und Bw umzusetzen. Hier hat 52 8132-4 am 10. März 1990 auf Gleis 5 abgespannt und wartet auf die Freigabe zum Umsetzen. Im Vordergrund dafür auch eine Entgleisungsweiche, womit man Flüchlinge gewaltsam aufhalten konnte! Der Tankzug links befindet sich in der stark gesicherten Güter Grenzkontrolle!
In der westlichen Gegenrichtung dann die notwendigen mech. bedienten Gleisverbindungen für das Umsetzen aus KBS 764. Im Hintergrund die Staatsgrenze mit Wachturm, die Einfahrschneise mit überbauten Kontrollposten und Doppelzaun, der KFZ Kollonenweg und die 3 m hohen Seitenzäune und links in der Doppelzaunanlage eine Hundlaufanlage mit scharfen Diensthunden. Hinter der Rangierlok nochmals Entgleisungsweichen und massivere Prellböcke. Alle Loks waren damit keine 200 m mehr von der "Mauer" entfernt und die Versuchung einer Flucht sehr groß!
Rechts im Bahnhof dann das abgetrennte Zollgleis für die Schnellzüge mit DDR Fahne und Wappen. Alle Gleise um die DB 218 sind mit roten Gleissperren abgesichert und eine Ausfahrt in Richtung Westen somit unkontrolliert unmöglich. Im Vordergrund das Wartegleis der DB Loks. Die Brücke auf der ich stehe war wie eine Festung gesichert und stets mit vier bewaffneten Posten besetzt. Bis zum Winter 1990 heizte hier in diesem Bereich immer die mobile Oebisfelder Heizlok morgens bis 5 Uhr die Personenzüge vor. Der gesamte Bahnhof bis zur Staatsgrenze war stets taghell beleuchtet!
Nach dem Umsetzen auf die südliche Bahnhofsseite wurde wieder durch den Personenbahnhof gefahren, um dann nach rechts in die doppelgleisige Bw-Einfahrt zu gelangen. Im Bahnhof selbst war ein größerer Kontrollposten, der ein Verlassen des Geländes ohne Passierschein verhinderte. Als Durchreisender war man auf den Bahnsteigen damit gefangen! Die Anweisung von 1983 diesen Bereich nur noch mit Loks mit verschließbaren Führerhäusern zu befahren, erschien aus dem damaligen Sicherheitswahn damit sinnvoll!
2002 war von der Betriebsamkeit und dem magischen Flair auf dem Bahnhof Oebisfelde nichts mehr geblieben. Trostlose Moderne war nun angesagt! Noch vor dem Sonnenaufgang und mit Mond wartete hier die erste Reginonalbahn nach Salzwedel auf Abfahrt!
Hier nun die doppelgleisige westliche Bw Einfahrt. Im Hintergrund das "Millionengleis" mit den defekten Dieselloks der BR 119. Auf der Scheibe wird gerade eine 118 gedreht und die 119 davor wartet auf die Drehscheibenfahrt. Links die 119 ist aus dem Bw gekommen und wartet auf die Einfahrt in den Personenbahnhof.
Nächste Problem im Grenzbahnhof waren die vielen Güterzüge. Hier mal das tägliche Szenario für die Nachwelt erklärt. Güterzüge nach Salzwedel fuhren aus dem riesigen Güterbahnhof erst in Richtung Magdeburg aus und drückten dann durch das gesamte Gleisfeld (Gleis im Vordergrund) den Zug in den Personenbahnhof zurück. Rechts die Ausläufer des Bw mit Loks der BR 119 und Heizlok BR 22 sowie links die Ausfahrt der Lehrter Bahn nach Stendal.
Hier hat der Zug gleich den Personenbahnhof mit der Ausfahrweiche nach Salzwedel rückdrückend erreicht. Im Mai 1992 waren alle Grenzanlagen, wie auch ein reger Eisenbahnbetrieb bereits verschwunden. Rechts das Gleis führte zum Kleinbahnhof der Wittinger Strecke (1945 stillgelegt) und zu den Anschlüssen der OGEMA.

Personenzüge fuhren stets von den hinteren zwei Gleisen nach Salzwedel aus. Hier steht 50 3649-6 mit ihrem ersten Sonderzug im Sommer 1990 abfahrbereit an Bahnsteig 6. Noch stehen die Wasserkräne an den Gleisen der Lehrter Hauptbahn und auch der große Wachturm der Grenztruppen, wie auch die abgetrennten Zollgleise sind hier noch vorhanden.

16.06.1990

Nach Fahrbefehl Hf 2 durch das schöne Gittermast Formsignal ging es dann los in nördliche Richtung. Diese seltenen Aufnahmen entstanden vom Stellwerk B3 und zeigen eindrucksvoll den schwierigen Betriebsablauf für die KBS 764. Auch die vielen Schotterzüge von Haldensleben nach Stendal machten so im Personenbahnhof direkt "Kopf", was man auf den ersten beiden Bildern dieser Seite im Hintergrund auch sehen kann. Die BR 41 fuhr daher bis 1985 fast nur noch "sichere" Leistungen direkt aus dem Güterbahnhof nach Stendal.
Von unten sah es dann so aus! Das Salzwedeler Gleis ging also vor dem Stellwerk B3 steil nach rechts bzw. Norden.
Noch direkt am Bahnhof Oebisfelde wurde die Straße nach Klötze gesichert überfahren und Wassensdorf erreicht.
Der Ort Wassensdorf wurde im Bogen umfahren. 52 8132-4 kehrt hier am 10.03.1990 von ihrer ersten "Nachwende" Sonderfahrt aus Beetzendorf zurück und erreicht das Oebisfelder Einfahrsignal.

Von Hinten gesehen bot sich dann dieser Blick auf den riesigen Rundschuppen und Schornstein für die Heizloks des Bw Oebisfelde. Dieses Gleistück um Wassensdorf wurde bereits 1997 abgebaut, da im Zuge des Schnellbahnbaus noch eine neue günstigere Einfädelung dieser Strecke weiter östlich für Millionen sinnlos erbaut wurde.

06.12.1992

Hier nochmals ein nach Oebisfelde rückkehrender Sonderzug in der Umfahrung Wassensdorf.

06.12.1990

Nach weiteren 3 km erreichte man das Sumpfgebiet "Drömling" mit den vielen Gräben. Die erste Brücke führte über den Allerkanal, den hier 50 3606-6 mit P 18334 erreicht.
2002 war diese Top Stelle am Allerkanal schon fast zugewachsen, aber abendliche Stimmungsbilder mit den letzten Triebwagen noch möglich.
Der Allerkanal speiste auf der anderen Seite der Gleise das Schöpfwerk Buchhorst, mit dem man den Wasserstand im Mittellandkanal regulieren konnte. Wiederum 50 3606-6 erreicht hier auf ihrer ersten Fahrt im Dezember 1990 das eisige Gewässer. Der Zug befindet sich auf der beginnenden Rampe zur Kanalbrücke
118 128-8, als vorletzte ihrer Art, überquert hier im Sommer 1991 gerade nach Rampenfahrt die Kanalbrücke in Richtung Oebisfelde. Im Hintergrund das Einfahrsignal von Buchhorst und der graue Klotz der Grenzkompanie.
Nochmals die Oebisfelder Seite der Kanalbrücke. Übrigens wurde diese Brücke im September 2009 innerhalb von wenigen Tagen hier vor Ort zerlegt!
Der seltene östliche Blick auf die Brücke mit P 6457 mit 110 802-7 nach Oebisfelde zeigt vorn rechts den Wassereinlauf des Schöpfwerkes und die Gebäude unter der Lok gehörten zur damaligen Grenzübergangsstelle für den Schiffsverkehr. Dahinter die Straßenbrücke Oebisfelde-Klötze.
Die Brücke reizte immer durch den abendlichen westlichen Sonnenuntergang der bei ruhigem Wasser (was selten vorkam) stets tolle Fotos ermöglichte. Hier fährt P 6456 in Kurzform nach Salzwedel. Diese kurzen Gattungen leuteten die beginnende Triebwagenzeit hier ein.
Aber auch mit normalen Licht wirkte die Kreuzung des Mittellandkanals stets reizvoll. Übrigens befanden sich hinter der Brücke schon die beginnenden Grenzanlagen mit Hundetrassen und Vorzäunen. Nachts wurde eine Stahltrosse im Wasser hochgezogen und Annäherungen mit Tauchfahrzeugen und Schiffen so unterbunden.

1994 im April erfolgte auch eine Fahrt der schon bekannten 64 1491 mit ihrer Wagengarnitur planmäßig von Salzwedel nach Oebisfelde und zurück, die mir diese wunderschöne Aufnahme am Mittellandkanal ermöglichte. Heute 2009 sind all diese Kanalbrücken abgerissen und der Kanal wurde als Verkehrsprojekt "Deutsche Einheit" stark verbreitert.

Der geplante Neubau der Kanalbrücke Buchhorst wurde 2002 auch als Vorwand zur Streckenstilllegung und dem Abbau der Strecke erfolgreich benutzt!

1989 sah die Eisenbahnwelt hier noch anders aus, als der Sonderzug den festlich geschmückten Bahnhof Buchhorst erreicht. Sicher eines der schönsten illegalen Bilder von dieser großartigen Sonderfahrt im tiefsten Sperrgebiet der noch existenten DDR!
Im Sommer 91 folgte ich verstärkt den letzten 118. 118 128-8 wartet hier auf die Weiterfahrt nach Oebisfelde. Der Bahnhof Buchhost wurde oft als Warteraum für Güterzüge für den überlasteten Bahnhof Oebisfelde genutzt.
Einzige jahrelange Triebwagenleistung auf KBS 764 war das Paar 18331 und 18334 als Arbeiterzug. Hier kreuzt 771 008 mit Beiwagen morgens 7 Uhr im Mai 1992 den Fotogüterzug nach Salzwedel klassisch in Buchhorst.
Im Sommer 2002 war der zum Haltepunk kastrierte Bahnhof Buchhorst fast nicht mehr zu sehen und vom Verlauf der Grenzanlagen nichts mehr zu finden. Naturschutz war nun hier angesagt und das Gras wucherte mannshoch über die Bahnanlagen und die Umgebung. Nun wundert man sich jährlich aufs Neue, dass die Störche immer weniger werden ...!
Der Bahnhof Buchhorst grenzte direkt an den vorgelagerten Grenzsignalzaun an. Dieser wurde bereits Anfang 1990 zügig abgebaut - man sollte diese Sicherungsanlagen eben nicht sehen! Bereits am 10.03.1990 stehen hier nur noch die Reste als 52 8132-4 in Buchhorst einfährt. Der Zaun hatte eigentlich oben drauf noch "V" förmige Stacheldrahtkronen und auch vorn dran waren alle 10 cm Stacheldrähte die mit Niederspannung gespeist waren. Bei Kontakt von zwei Drähten wurde Alarm ausgelöst. Die Sandflächen vorm Zaun wurden 2 m breit geharkt und alle 6 Stunden nach Spuren abgesucht. Der Zaun war zusätzlich einen Meter tief eingegraben.
Im Sommer 1991 war von den Grenzanlagen in Buchhorst nicht mehr viel übrig, als 118 128 Lz von Kunrau in Buchhorst einfährt. Links neben der Lok ist übrigens schwach das Buchhorster Einfahrsignal in negativer optischer Ausführung zu erkennen. Diese farbliche Abwandlung diente der besseren Sichtbarkeit bei ungünstigen Blickverhältnissen.

Die Bahn lief dann ca. 2 km parallel zu diesem stark gesicherten Vorzaun der Staatsgrenze. Bereits im Dezember 1990 standen nur noch die Pfähle, als der Nikolauszug den Fluß Ohre erreicht.

Der eigentliche direkte Grenzzaun war noch ca. 800 m von hier entfernt und 3 m hoch.

Zwischen Buchhorst und Kunrau, inmitten des riesigen Sumpfes des Drömling, war Vmax 30 km/h jahrelang angesagt, da der Bahndamm auch "schwimmend" gelagert war. Alle Sanierungsvorschläge der Strecke scheiterten stets an den Kosten der neuen Kanalbrücke und der Befestigung des Bahndammes in diesem Feuchtgebiet. Selbst mit dem Fotoapparat konnte man hier nach mühseliger Anreise (Naturschutzzone 1) mit einem Zweirad nicht weiter zum Gleis vordringen!

Hier ist 771 003 (Mai 1994) nach Oebisfelde mitten im Drömling zwischen Buchhorst und Kunrau in Höhe der Kolonie Belfort am "Rimpau" Gedenkstein, dem Urbarmacher dieser Sumpflandschaft. Heute ist Öko angesagt und alles zugewachsen und doch stark verwildert - Herr Rimpau würde sich im Grabe umdrehen...!

771003 war der älteste Triebwagen seiner Baureihe und wurde bis 1993 jahrelang im Bw Wittenberge eingesetzt. Als man ihn dort nicht mehr benötigte, kam er nach Salzwedel und wurde hier noch einige Zeit eingesetzt!

50 3649-6 war 1990 nur noch eine kastrierte Heizlok ohne Fahrwerks Untersuchung und Vorwärmer. Der rechte Zylinder war stets undicht und der Lauf damit unrund. Durch die Wirren der Wende wurde sie dennoch auf Strecke gelassen und auch zur Probe P 6448 gefahren. Hier auf der Fahrt nach Salzwedel in Höhe der Kolonie Belfort!

16.06.1990

An der selben Stelle, am Belfort, leistet hier nun die "Neue" 50 3606-6 der humpelnden 50 3649-6 am 20. April 1991 Beihilfe, als dieser Sonderzug nach Kunrau zum Heimatfest fuhr. Es war der letzte Einsatz der 3649 und die lange Geschichte der Heizloks in Oebisfelde somit beendet.